"Beim Bobsport bin ich zufällig gelandet"

18.01.1997

Der Viererbob von Pilot Christian Reich wurde Vize-Schweizer-Meister.

Interview mit "Anstösser" Thomas Handschin

An den Bob-Schweizer-Meisterschaften in St. Moritz holte sich der Vierer-Bob von Christian Reich die Silbermedaille. Zum Team gehört auch Thomas Handschin aus Amriswil. Der Sportler, vor wenigen Jahren noch Zehnkämpfer an der Seite von Mirko Spada, bereitet sich nun zusammen mit seinen Teamkollegen auf die Weltmeisterschaften vor.

Thomas Handschin, wie kommt es, dass ein Amriswiler sich dem Bobsport zuwendet?

Thomas Handschin: Das ist eigentlich einem Zufall zu verdanken. Ich habe während länger Zeit unter Werner Dietrich Zehnkampf trainiert. Er war es auch, der meinte, ich brächte ideale körperliche Voraussetzungen für den Bobsport mit. Zunächst konnte ich mir es nicht so vorstellen als Bobfahrer aktiv zu sein. Dann sprach mich an einer kantonalen Leichtathletik-Meisterschaft Philipp Berger an und fragte mich, ob ich nicht Lust hätte, an einem Sommer-Trockentraining teilzunehmen. Das hat mir dann viel Spass bereitet und ich habe daran Gefallen gefunden.

Also bedeutete dies Ihren Einstieg in den Bobsport?

Handschin, Nein, zunächst musste ich in die Rekrutenschule. Im November 1993 kam dann Philipp Berger erneut auf mich zu und lud mich zu einer Fahrt im Eiskanal in Innsbruck ein. Bei dieser ersten Bobfahrt hat es mich dann so richtig "gepackt" und ich fuhr meine erste Saison.

Sie sind noch nicht so lange im Bobsport zu Hause, dennoch haben Sie zusammen mit Ihren Teamkollegen nun einen wichtigen Sieg errungen und sich für die Weltmeisterschaften qualifiziert. Worauf führen Sie diesen Erfolg zurück?

Handschin: Sicher einmal das Team, das sich zusammengefunden hat. Nach meiner ersten Saison bei Philipp Berger fragte mich Christian Reich, der auf eine 10jährige Erfahrung als Bremser zurückblicken konnte, ob ich zu seinem Team stossen würde. Von da an wurde die ganze Sache auch viel professioneller. Zudem galt Christian Reich als ein hoffnungsvoller Pilot, was sich auch bestätigt hat. Letztes Jahr wurde ich zusammen mit ihm bei den Zweierbob-Meisterschaften Dritte. Dieses Jahr kam dann der Viererbob dazu.

Haben Sie der Leichtathletik nun ganz den Rücken gekehrt?

Handschin: Nicht ganz. Ich bestreite im Sommer noch einzelne Disziplinen, wenn auch keinen Zehnkampf mehr. Während meiner ersten Saison habe ich beide Sportarten parallel betrieben, musste dann aber feststellen, dass der Körper durch die Dauerbelastung überfordert ist. So war ich gezwungen Prioritäten zu setzen.

Wie lange dauert eine Bobsaison?

Handschin: Die Saison selber dauert von Mitte Oktober bis anfangs März. Danach gibt es eine einmonatige Trainingspause, bevor das Aufbautraining wieder beginnt. Ab Juni/Juli wird das Teamtraining wieder aufgenommen. Bis Ende September wird das Training kontinuierlich gesteigert, so dass wir auf den Saisonstart im Oktober gut vorbereitet sind.

Wenn man den Trainingsaufwand betrachtet muss man davon ausgehen, dass Bobsport schon fast ein Beruf ist. Kann man denn davon leben?

Handschin: In der Schweiz leider nicht, nein. Ausserhalb der Saison arbeite ich in St. Gallen bei einer grossen Versicherungsgesellschaft. Den Sport kann ich eigentlich nur dank der Grosszügigkeit meines Arbeitgebers in diesem Rahmen ausüben.

Wie geht es nach den Schweizer Meisterschaften weiter?

Handschin: Zunächst findet an diesem Wochenende die Viererbob Europameisterschaft in Königsee (D) statt. Dann werden wir am ersten Februarwochenende an den Weltmeisterschaften in St. Moritz starten.

Wie stehen Ihre Chancen für die Weltmeisterschaften?

Handschin: Das ist schwierig zu beurteilen. Wenn es so weitergeht, stehen die Chancen sicher nicht schlecht. Wir haben am letzten Wochenende mit der gefahrenen Zeit sicher gezeigt, dass wir mit dem internationalen Feld mithalten können. Allerdings werden wir gegen sehr starke Teams bestehen müssen. Schön wäre es natürlich schon, wenn wir den Heimvorteil nutzen und in unserem eigenen Land eine Medaille an den Weltmeisterschaften erkämpfen könnten.

Welches sind Ihre Ziele für die weitere Zukunft?

Handschin: Die Olympischen Spiele rücken nun immer näher. Daran teilzunehmen wäre sicherlich ein grossartiges Erlebnis. Da ist man dann auch bereit, einiges an Trainingszeit aufzuwenden, um sich für die Olympischen Spiele zu qualifizieren. Wenn es so weiter geht, dürften wir auch eine Chance auf eine Qualifikation haben, die Schweiz wird voraussichtlich drei Teams schicken und wir gehören inzwischen zum Nationalkader.

Durch den Bobsport sind Sie häufig von zu Hause weg Haben Sie nie Heimweh?

Handschin: Sicher ist man immer wieder froh, wenn man nach Hause kommt. Aber es ist natürlich auch sehr reizvoll unterwegs zu sein. In den letzten Jahren habe viele Länder und Menschen kennengelernt. Dazu kommt, dass wir innerhalb des Teams ein Super-Verhältnis geniessen, so dass es richtig Spass macht, die Zeit miteinander zu verbringen.

Interview: Rita Kohn


Aus der Schweizerischen Bodensee Zeitung vom 18.01.1997
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