Streicheleinheiten sind die Resultate

14.02.1995

Leichtathletiktrainer Werner Dietrich aus Oberaach ist schon über zwanzig Jahre «im Metier»

Leichtathleten wie Werner Günthör, Mirko Spada und Thomas Handschin profitierten von seinem immensen Wissen: die Rede ist von Werner Dietrich, Oberaach, der schon über zwanzig Jahre in der Ostschweizer Leichtathleik-Szene als Trainer wirkt. Trotz grosser Erfolge mit seinen Schützlingen ist Bescheidenheit sein Markenzeichen.

Albert Gründler

Der 42jährige Ingenieur FH, als Entwicklungsingenieur bei der Iveco AG in Arbon tätig, machte schon früh mit der Leichtathletik Bekanntschaft. Die Sporen verdiente sich der ruhige und überlegt wirkende Oberaacher in den Jahren 1971 bis 1982 beim TV Uttwil ab, in welche Zeit auch die Trainerausbildung fiel. An Vorunterrichts- sowie J+S-Leiter-Kursen Fitness und Leichtathletik sowie an Trainerlehrgängen des Verbands eignete er sich ein solides Wissen über Leichtathletik an.

Seit 1984 amtiert Dietrich ils Leichtathletiktrainer beim TV Amriswil, wo er dank Atheten wie Günthör, Weber, Spada und Handschin rasch iber das Weltdorf hinaus bekannt wurde - und trotzdem stets im Hintergrund blieb, für Werner Dietrich ist dies eine frustrierende Erfahrung: Es gibt verschiedene Trainer, solche, die gerne im Rampenlicht stehen, andere, wie ich, ziehen das stille Schaffen im Hintergrund vor. Trotzdem komme ich mit Erfolgserlebnissen nicht zu kurz - meine Streicheleinheiten sind die Resultate der mir anvertrauten Schützlinge.»

Gute «Nase» wichtig

Wer nicht «im Metier» drinsteht, kann sich oft kaum einen Reim darauf machen, wie man in der grossen Masse der Leichtathleten auf Ausnahmekönner stossen könnte. Werner Dietrich weiss einige sehr treffsichere Merkmale, mit denen auch er immer wieder fündig wird: «Zwei entscheidende Punkte sind die Lernfähigkeit sowie die Bereitschaft, Zeit zu investieren. Wichtig ist aber auch, ob eine Gruppe zusammenpasst, die einzelnen Athleten also genügend integrationsfähig sind, denn Mitlaufen ist so gut wie gar nichts. Und wenn ein Athlet zu mir kommt und gleich zu Beginn davon redet, höchstens zwei-, dreimal wöchentlich trainieren zu wollen, dann ist er am falschen Ort. Lernbereitschaft und die Bereitschaft, Zeit zu investieren, sind entscheidende Punkte für einen Trainer, ob es sich letztlich lohnt, sich um Athleten zu kümmern.»

Werner Dietrich, Familienvater mit drei Kindern, wendet jedenfalls für sein «Hobby» Leichtathletiktrainer viel Zeit auf. Allein die Trainingsplanung nimmt pro Tag eine runde Stunde Zeit in Anspruch. Das Training selbst sowie die Betreuung kann wöchentlich weitere 10 bis 20 Stunden ausmachen. Und schliesslich ist auch noch die Wettkampfbegleitung nicht unwesentlich. Bei durchschnittlich drei bis fünf Zehnkämpfen sowie etwa zehn Vorbereitungswettbewerben kommen weitere zwanzig Tage dazu. Dietrich: «Wenn ich statt wie jetzt 75 Prozent voll arbeiten würde, könnte ich meine Aufgabe nicht mehr erfüllen. Daher bin ich sehr glücklich, dass mir mein Arbeitgeber insofern entgegenkommt, dass ich untertags trainieren kann. Dank diesem Umstand ist es mir möglich, meine Pflichten als Familienvater nicht vernachlässigen zu müssen.»

An Talenten mangelt es nicht

Werner Dietrich ist überzeugt, dass im Thurgau weitere gute Leichtathletik-Talente vorhanden sind, wird doch in Vereinen wie besipielsweise Bischofszell, Gachnang oder Amriswil gute Arbeit geleistet. Man müsste sich aber intensiver um sie kümmern. Wieso sie also nicht Werner Dietrich anvertrauen? Dietrich: «Neue Talente aufbauen, wäre für mich wie ein Neubeginn. Und parallel Leute wie Spada und Handschin sowie "Neue" betreuen, ist schlicht unrealistisch.»

Vielleicht könnte diesem unbefriedigenden Zustand dadurch begegnet werden, wenn unser Sport generell aufgewertet würde. Der Oberaacher Talentformer ist überzeugt, dass der Stellenwert einer Korrektur nach oben bedarf: «Im Schweizer Zehnkampf herrscht zwar im Trainerbereich ein sehr gutes Einvernehmen, doch wäre es schon wünschenswert, wenn der Traineiberuf eine Aufwertung erfahren würde. Bei mir ist es so, dass Beruf und Trainertätigkeit hundert Prozent ergeben, finanziell werde ich lediglich zu 75 Prozent entschädigt. Ich bin zwar Trainer aus Leidenschaft, aber auch'sie hat ihre Grenzen.»


© Schweizerische Bodensee Zeitung, 14.02.1995